Wie unterscheidet sich das Gefühl von den kognitiven Formen der Widerspiegelung, die in ihrem objektiven Inhalt Gegenstände, Prozesse, Eigenschaften der Realität mehr oder weniger adäquat abbilden?
Wo wohnt die Angst
Widerspiegeln Gefühle vor allem die subjektive Beziehung des Menschen zu anderen Menschen, zu Gegenständen und Prozessen, zu Ereignissen wie auch zu Gedanken, Anschauungen, usw.
In Form subjektiver Erlebnisse wie Freude, Zufriedenheit, Glück, Lust oder auch Ärger, Unzufriedenheit, Traurigkeit, Unlust u.a. und äußern sich in entsprechenden subjektiven Reaktionen?
Wie bedeutend ist die Rolle der Gefühle im Verhalten, in der praktischen, theoretisch – erkennenden, ästhetisch – künstlerischen und sonstigen Tätigkeit der Menschen?
Werden sie alle durch Gefühle motiviert und stimuliert und bringen ihrerseits Gefühle hervor? Ist es wahr, dass es ohne menschliche Emotionen niemals ein Suchen der Menschen nach Wahrheit gegeben hat, gibt und geben kann?
Wie weit können aktive Gefühle die Tätigkeit der Menschen positiv beeinflussen, ihre Tatkraft anregen und ihre Energie verstärken, passive Gefühle hingegen ihre Aktivität beeinträchtigen oder gar lähmen?
Wie differenziert ist die Gefühlswelt der Menschen: bekanntlich gibt es neben kurzzeitigen Affekten lang wirkende Stimmungen, die dem gesamten Verhalten und Denken eines Menschen eine bestimmte emotionale Färbung verleihen, sowie Leidenschaften, die allen Menschen lange Zeit beherrschen können?
Wie weit sind die Gefühle der Menschen mit ihrem Denken verbunden und stehen von daher in enger Wechselwirkung mit der Sozialpsyche und möglichen Ideologien, mit deren weltanschaulichen, politischen, moralischen, religiösen Anschauungen?
Welche Bedeutung hat die Wechselwirkung von Denken und Fühlen für die Ausbildung und Festigung von Überzeugungen?
Wenn Überzeugungen mit Gefühlen verbunden sind, ist es dann korrekt, von moralischen oder von religiösen Gefühlen zu sprechen, oder gibt es solche ebenso wenig wie etwa politische oder wissenschaftliche oder sportliche Gefühle?
Auch wenn wir Gefühle zum Thema des Nachdenkens machen, stellt sich die Frage nach dem Unterschied zwischen Philosophie und Psychologie. Was sind ihre Interessen an emotionalen Fragen?
Wenn wir mit Kindern oder Jugendlichen zum Beispiel über Angst oder auch Mut philosophieren, tun wir dies nicht mit der Absicht, einen einzelnen Menschen mit seinen Emotionen oder mit seiner einzelnen Problematik zu verstehen, wie dies ein praktizierender Psychologe tun würde, sondern es geht uns darum ein Phänomen, dass wir alle – wenn auch in unterschiedlichen Variationen – kennen, genauer zu untersuchen.
Das Ziel ist nicht ein therapeutisches, obwohl es durchaus vorkommen kann und darf, dass ein Kind nach dem Philosophieren bessere Strategien kennt, um mit seiner Angst oder mit der Wut fertig zu werden. Es ist jedoch nicht sinnvoll, gerade dann ein philosophisches Gespräch zu versuchen, wenn ein starkes Gefühl bei einem oder einer der teilnehmenden akut ist. Denken erfordert einen klaren Kopf, der sich auf Prinzipielles und Allgemeines konzentrieren kann: was ist Angst eigentlich genau? Warum gibt es sie überhaupt? Wie könnte man sie loswerden? Muss man sie denn immer loswerden? Ist sie wirklich immer schlecht? Muss man sich dafür schämen?
Beim Philosophieren interessiert uns das allgemein menschliche, die Tatsache, dass wir alle die emotionalen Phänomene kennen und irgendwie damit umgehen müssen.
Wie alle Naturwissenschaften interessiert sich auch die wissenschaftliche Psychologie dafür, wie etwas genau ist und funktioniert. Die Philosophie hingegen möchte zusätzlich verstehen, was der Sinn dieser Fakten ist und was diese für unser Menschsein bedeutet. Die Ethik versucht dies insbesondere bezüglich der Werte, der Gefühle und der moralischen Fragen.
„Die kapitalistische Konsumsphäre beeinflusst unsere Emotionen nicht mehr bloß irgendwie äußerlich“, meint der Leiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung Axel Honneth.
Inzwischen haben „unsere Gefühle selbst die Form von jederzeit einsatzfähigen Waren“ angenommen.
Deshalb spricht die israelische Soziologin Eva Illouz in ihrem neuen Buch „Wa(h)re Gefühle“, dass ein Vorwort von Honneth enthält, von „Gefühlswaren“. Laut Illouz hat der Neoliberalismus eine „Intensivierung des Gefühlslebens“ hervorgerufen. Der FAZ zufolge führt dies dazu, dass uns die „Fähigkeit“ abhandenkommt, „unsere echten Gefühle von jenen zu unterscheiden, die der Kapitalismus bewusst hervorbringt.“
Waren werden für den Markt gemacht, auf dem äquivalente getauscht werden, und zwar schon lange. Sind die „Partnerbörsen“ vielleicht nur die neuen Supermärkte für Gefühls waren?
Aber was sind überhaupt „echte Gefühle“? Zumal in einer Servicegesellschaft, in der für die Beschäftigten Lächeln und Freundlichkeit obligatorisch sind.
„Sie müssen lernen, sich besser zu verkaufen!“ Man spricht von „vertrauensbildenden Kommunikationsmaßnahmen“ – schon die von Turgenjew in „Väter und Söhne“ geschilderten „Nihilisten“ verabscheuten sie.
Zur philosophischen Bedeutung der Angst – Angst oder Furcht, Furcht oder Angst
Der Aufbau des Gesprächs orientiert sich am didaktischen Dreischritt des Philosophierens mit Kindern: Erkunden, Erproben, Prüfen.
Der erste Schritt ermöglicht die Beschäftigung mit eigenen Erfahrungen, etwa mit der Frage: „Wann hast du das letzte Mal Angst gehabt? Wovor? Wie hast du dich dabei gefühlt?“
Diese Fragen führen zur Erörterung der Frage, was eigentlich Angst genau sein könnte? Je nach Altersgruppe wäre hier auch die Unterscheidung zwischen Angst und Furcht denkbar.
Alternativ wären auch Textstellen aus Kinderbüchern, zum Beispiel „Im Zwölfminutenwald“ denkbar.
Die Erprobungsphase könnte mit einem Gedankenexperiment eingeleitet werden: „Wie wäre es, wenn wir keine Ängste hätten? Würden unser Leben und die Welt anders werden?“
Der dritte Schritt würde mit der Frage „Können Ängste für etwas gut sein?“ eingeleitet.
Fortgesetzt werden könnte die aus dem Prüfen sich ergebende Handlungsorientierung mit der Geschichte von Irmela Brender, Vom Jungen, der auszog, die Angst zu verlernen.
Dabei geht es um einen Jungen, der nacheinander Piloten, Rennfahrer und Stierkämpfer befragt, wie sie mit möglichen Ängsten umgehen und was sie dagegen tun.
„Da verglich der Junge die drei Antworten und fand, dass sie sehr ähnlich waren. Und er hörte auf zu fragen machte alles, so gut er konnte, und sonst macht er eben weiter.“
Dr. h.c. phil. Hans-Joachim Müller
"Philosophische Kinderherzen" - Wir bedanken uns sehr bei Herrn Dr. H.C. Phil. Hans-Joachim Müller, für diesen Beitrag.
Comments